Was der Dunning Kruger Effekt mit Freelancer Profilen im Allgemeinen und einer Projektabsage im Besonderen zu tun hat

Beim Lesen des – sehr unterhaltsamen und inspirierenden – Buches Fokus! von Hermann Scherer wurde ich einmal mehr an den Dunning Kruger Effekt und die Implikationen die sich daraus ergeben erinnert. Zusammen mit einer unglücklichen Absage bei der Projektaquise ergab sich dieser kleine Artikel.

Als Dunning Kruger Effekt bezeichnet man umgangssprachlich die Tatsache, dass Inkompetenz häufig zu größerer Selbstsicherheit führt als Kompetenz. Ist eine Person besonders kompetent erkennt sie in dem entsprechenden Fachgebiet sowohl Chancen als auch potenielle Probleme.

„Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist. […] Die Fähigkeiten, die man braucht, um eine richtige Lösung zu finden, [sind] genau jene Fähigkeiten, die man braucht, um eine Lösung als richtig zu erkennen.“

– David Dunning

Aus meiner Sicht ist das ein Grund warum sich Freelancer v.a. die kompetenten oft unter Wert verkaufen. Wenn ich mein eigenes Profil anschaue, habe ich im Lauf der Zeit viele Tools und Skills aufgenommen, die ich anfangs nicht erwähnenswert fand. Als „Techie“ neigt man dazu, nur die Fähigkeiten aufzuzählen die man selbst als „Besonders“ oder „Schwierig“ ansieht. Am besten sollte man über 5 Jahre ausschließlich in einem bestimmten Gebiet gearbeitet haben um sie im Profil hervorzuheben  – so habe ich zumindest zu Beginn meiner Freelancer Laufbahn mein Profil aufgebaut. Das ist natürlich Quatsch – oft ist sogar die Fähigkeit sich schnell in neue Technologien einzuarbeiten wichtiger als welche man gerade beherrscht oder zu beherrschen glaubt ?

Vor kurzem hatte ich einen ähnlichen Effekt bei einer Projektbewerbung, bei der ich leider bereits vor dem Telefoninterview aussortiert wurde. In meinem Profil habe ich bei einem Projekt wieder einmal einen Skill (JSF) nur unzureichend „angeteasert“. Er stand einfach nur in der Spalte mit den entsprechenden Skills für ein Projekt das mit Unterbrechungen mehrere Jahre lief. Irgendwie vergas ich zu erwähnen, dass ich das entsprechende Projekt ohne Übergabe durch den/die ursprünglichen Programmierer übernehmen musste und den Quellcode komplett selbst analysieren „durfte“. Netterweise war die Systemumgebung nur in einer Variante (Produktivsystem) undokumentiert vorhanden – d.h. der erste Schritt war diese „nachzubauen“ und einen vernünftigen, automatisierten Deployment-Vorgang (SVN / Git, maven usw) zu erstellen. Ganz klein war die Software ebenfalls nicht, sie umfasste zum damaligen Zeitpunkt > 50.000 Zeilen selbst vom Kunden geschriebenen Code.

Das dabei etwas mehr als das durchschnittliche Know-How hängen bleibt ist eigentlich klar – das Feedback war aber nur „JSF in zu wenigen Projekten, wir haben keine Zeit mit dem Kandidaten zu reden“. Schade für mich, und evtl. auch schade für den Kunden, wer weiß.

Ich nehme daraus wieder einmal mit, im Zweifelsfall etwas mehr zu trommeln. Dass ich mich überschätzt hatte ist mir bisher bei keiner Projektaquise passiert. Ich denke mal, da bin ich nicht der einzige Freelancer dem es so geht. Und vielleicht gibt der Artikel dem einen oder anderen Newcomer den Anstoß genau zu kommunizieren, welche Skills man besitzt und geg. auch wie intensiv diese im Projekt eingesetzt wurden. Ich hätte mir ein entsprechendes Feedback v.a. zu Beginn meiner Freiberuflerlaufbahn gewünscht. Es wäre schade, wenn sich gerade die fähigen Freiberufler nicht durchsetzen würden.